(November 2016) Die Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist salonfähig. Nicht erst mit einem Positionspapier des Wissenschaftsrates (WR) aus dem Oktober 2016 erhält der Wissens- und Technologietransfer seinen Ritterschlag in Deutschland. Dieser soll nach WR-Meinung Bestandteil jeder institutionellen Strategie werden. Und Erfolge im Transfer sollen demzufolge auch als relevante Leistungen in der Forschung anerkannt werden.
Heute ist die Perspektive der Anwendung, die Wirkung von Forschung in der Gesellschaft und auch ein Lösungsbeitrag der Wissenschaft bei Problemen längst nicht mehr ehrenrühig. Dieser Impact wird von keiner ernstzunehmenden Forscherin, keinem engagierten Wissenschaftsmanager und auch keiner Direktorin eines außeruniversitären Institutes bestritten.
Warum aber ist es so schwierig in Deutschland, wissenschaftsbasierte Firmen in größerer Zahl zu gründen und erfolgreich aufzubauen? Warum bleibt SAP über so lange Jahre der einzige Stern am Himmel?
Eine kürzlich veröffentlichte annotierte Grafiksammlung des DAAD zu Daten und Fakten des deutschen Hochschul- und Forschungssystems macht den Handlungsbedarf noch einmal deutlich: Auf Basis der Zahlen von 2011 flossen 248 Milliarden Euro in das System Bildung, Forschung, Wissenschaft. Die gut 51 Milliarden Euro, die die deutschen Unternehmen beisteuerten, einmal abgezogen, bleibt ein überwiegend stolzes öffentliches Budget stehen. Die nachfolgenden Jahre werden den Pfeil eher noch weiter nach oben gezogen haben.
Richtige Frage stellen
Andere Länder - allen voran die USA - staunen darüber. Dort sind Bildung und Hochschulwesen substanziell privat organisiert. Die Frage ist nicht die, ob dieser Zusand auch in Deutschland herrschen sollte. Die richtige Frage lautet: Was kann in Deutschland verbessert werden, um mehr Transfer - auch in Form von Firmengründungen - zu schaffen und dadurch zusätzlich Argumente zu liefern, dass auch künftig so selbstverständlich Steuergelder für Bildung, Forschung und Wissenschaft fließen.
Wenn die national größte Forschungsorganisation, die Helmholtz-Gemeinschaft mit gut 4,45 Milliarden Euro Budget (2015), zwischen 2005 und 2014 mit 118 Firmenausgründungen zum Transferleben aus der Wissenschaft beiträgt, dann ist zu reflektieren, wie künftig Anreize, Würdigungen und Unterstützungen aussehen müssten, damit jährlich mehr als die derzeit knapp 20 Unternehmen entstehen können. Für die Mehrzahl der deutschen Universitäten - abseits von RWTH & Co - können ähnliche Fragen gestellt werden.
Politiker Argumente liefern
Die einerseits klare Botschaft des WR-Positonspapiers (mehr strategische Bedeutung des Transfers) und die andererseits allen Seiten gerecht werdenden Formulierungen, die einen Transfer mehrdimensional und nicht nur als Spin-Off-Messlatte verstehen, müssen aber in eine politische Realität geführt werden. Politiker messen nämlich Investitionen an Erfolgen. Und neue Industriezweige samt Arbeitsplätzen könnten vermehrt entstehen, wenn aus der Forschung mehr Impulse zu wirtschaftlicher Tätigkeit folgen würden.
Mit neuen Konzepten, nicht nur öffentlicher Förderung, schaffen Länder wie die USA immer wieder diesen Quantensprung in der Ökonomisierung ihres Wissens. In Deutschland sind vier Schritte erforderlich: 1. Nachwuchswissenschaftler und Unternehmertum kulturell verbinden, 2. Anreize schaffen, als Forscher/In auch unternehmerische Optionen zu nutzen, 3. Akademie und Wirtschaft als Ergänzung und nicht als Weggabelung zu sehen und 4. themenbezogen und auch über institutionelle Grenzen hinaus Firmen aus der Forschung mittels einer adäquaten Fonds-Struktur gründen und durch Acceleratoren langfristig entwicklen .
"The Engine" - kein neuer Blockbuster an der Kinokasse, sondern ein neues MIT-Instrument - kann hierzu inspirieren (siehe auch den Beitrag unter News).