Das ist bei Trump anders. Mit seiner neuen Form der Wahlkampfführung, die ohne Inhalte aber eins ums andere Mal mit umso härteren persönlichen Verletzungen von Menschen und gesellschaftlichen Werten provozierte, hat er in den Wahlkabinen – so sind sich Analysten einig – auf der letzten Meile die entscheidenden Stimmen mobilisiert.
Ausreden zwecklos – Erfolge liefern
Die Pragmatiker in den USA sehen aber auch eine positive Wendung im sonst düsteren Bild. Ausreden sind nun zwecklos. Der Erdrutschsieg verschafft den Republikanern eine komplette Machtfülle: Mit 279 Stimmen der Electoral College Voters – den Wahlfrauen und -männern, die das Staatsoberhaupt ins Amt heben – liegt Trump mit neun Stimmen über dem Soll (mindestens 270) und weit vor Clinton.
Alle wesentlichen Prognosen lagen falsch. 300 erreichbare Stimmen waren Hillary Clinton zugeschrieben worden, 228 trägt sie am Ende nach Hause. Senat und Repräsentantenhaus sind auch den „Roten“ sicher. Und die oberste, noch vakante, Richterinstanz wird nun auch von den Republikanern bestimmt. Damit müssen die Republikaner Erfolge liefern. Ein knapper und angezweifelter Sieg der „Blauen“ Demokraten hätte möglicherweise zu einer politischen Lähmung im Land geführt.
Vielfältige Gründe für den Sieg
Die Gründe des Wahlsieges sind vielfältig. Anthony J. Gaughan, Juraprofessor an der Drake Universität in Des Moines, Iowa, schreibt auf der Internetplatform The Conversation über wesentlich fünf Punkte, die die Wahl entschieden hätten.
Er glaubt erstens, dass viele Trump-Anhänger ihre Meinung bis zur letzten Minute unter Verschluss gehalten hätten. Deshalb seien die Befragungen an diese Klientel nicht herangekommen, die Prognosen deshalb so falsch gewesen.
Zweitens breche mit Trump eine neue Ära des „Celebrity Politikers“ an. Ein politischer Außenseiter habe mit den ihn unterstützenden Medien – diese wiederum habe er durch seine verbalen Ausfälle zur Berichterstattung permanent gezwungen – viel mehr Spielraum gehabt als erfahrene Politiker oder Organisationen im Internetzeitalter.
Als dritten Grund führt Gaughan die Position Trumps gegen Immigranten und offenen Welthandel an. Damit sei wesentlich eine weiße männliche Wählergruppe ohne akademischen Abschluss gewonnen worden. Viertens: In zeitlicher Folge sei Trump nun der vierte Außenseiter, der ins Weiße Haus einziehe. Das sei bei künftigen Wahlen ins Kalkül zu ziehen.
Und schließlich – so fünftens – sei laut Gaughan Amerika tief gespalten, der Hass auf etablierte Strukturen sei groß und die empfundene Ohnmacht vieler Bürger dem Establishment gegenüber unbeschreiblich. Das habe sich entladen.
Brookings – der Think Tank aus Washington – stützt diese Analyse. Vanessa Williamson ist Fellow für Governance Studien und beschreibt die Wirkungen der Tea Party-Bewegung, die vor gut sechs Jahren Fahrt aufnahm. Sie sieht drei Gründe für den Trump-Erfolg, die mit dieser konservativen Entwicklung in den USA zusammenhängen: „(1) An older, white conservative base, highly motivated against immigration and threatened by the demographic, political and cultural change represented by Barack Obama. (2) A conservative media infrastructure that promulgated a deeply distorted view of the world and served as a social movement organization, shaping and solidifying a clear identity to mobilize its audience. (3) A network of billionaire ideologues, most famously the Koch Brothers, committed to extreme pro-big-business, anti-regulatory, anti-tax policies.”
In einem Punkt ergänzt die Brookings-Autorin ihren Jura-Kollegen aus Iowa: Auch der akademisch gebildete weiße männliche Wähler habe für Trump gestimmt. Und Soziologen erklären den republikanischen Sieg im Swing State Florida, den Obama noch 2012 holte, damit, dass vorrangig legal lebende Mexikaner für Trumps harte Immigrations-Position eintreten, um sich von ihren illegal in den USA lebenden Landsleuten abzugrenzen.
Tech Industrie sorgt sich
Die Technologie-Unternehmen sorgen sich. Im Silicon Valley, dem nationalen Symbol für wirtschaftlichen Dauer-Aufschwung, herrscht Verunsicherung. Mit Trump werden Visa-Probleme bei der Verpflichtung von Mitarbeitern erwartet. Das ist eine der größten Herausforderungen für die international ausgeprägten Rekrutierungssysteme von Google & Co.
Chinesische Experten, arabische IT-Könner und lateinamerikanische Programmierer könnten es schwerer haben, in die USA zu kommen. Jonathan Shieber, Autor der Plattform Tech Crunch, schreibt deshalb temperiert und versieht seinen Beitrag mit der Botschaft: „What does a President-elect Trump mean for Silicon Valley? Nothing very good.“
Immigrationspolitik, Cyber Security und auch staatliche Forschungsförderung sind auch bei anderen Kommentatoren mit Fragezeichen verbunden. Und alle drei Themen sind für den künftigen Erfolge innovativer Unternehmen entscheidend. Das trifft auch für die amerikanische Wissenschaft zu.
Science Debate erinnern
Die führenden amerikanischen Wissenschaftsorganisationen publizierten im September 20 Antworten zu Forschungsthemen, die den vier Kandidaten der Endrunde gestellt wurden. Die Science Debate (www.sciencedabete.org) liefert eine inhaltliche Orientierung, die nun mit Trump fortgeschieben wird.
Die wenigen inhaltlichen Aussagen von ihm werden nun „weiter interpretiert“: Die Raumfahrt fasziniert ihn. Und „nützliche“ Wissenschaften, die einen wirtschaftlichen Beitrag leisten wie alle STEM-Fächer (im weitesten Sinn: Science, Technology, Engineering und Mathematics), können auf Förderung hoffen. Selbst in der Medizin und den Life Sciences – vertreten durch die National Institues of Health – ist Unsicherheit zu spüren. Denn nur solche Krankheiten zum Beispiel, die die Gesellschaft aufgrund ihrer wirtschaftlichen Folgen empfindlich treffen (die „burden diseases“, wie es heißt), werden aller Wahrscheinlichkeit von den Republikanern präferiert gefördert. Die offene Grundlagenforschung hingegen, die nicht an Themenstellungen oder spezifischen Zielen ausgerichtet ist, wird es schwer haben, so die Meinung der Organisationen. (Siehe auch den Kommentar unter "Column")
Quellen:
http://theconversation.com/five-things-that-explain-donald-trumps-stunni...
https://techcrunch.com/2016/11/09/what-does-a-president-elect-trump-mean...
http://sciencedebate.org/20answers